Wolfgang Tillmanns - Abstract Pictures

Seit ein paar Tagen hat nun der Fotoband Wolfgang Tillmanns – Abstrakt Pictures den Weg in mein Bücherregal gefunden. Vielleicht habt ihr ja selbst ein paar Erfahrungen mit entwickeln von Film und Fotos in der Dunkelkammer gemacht. Vermutlich ist nicht immer alles glatt gelaufen. Da kamen ungewollt Spritzer von Chemikalien auf das Fotopapier oder man hat das Papier zu lang, zu kurz belichtet bzw. im Entwicklerbad liegen gelassen oder die Chemikalien als solche waren bereits „verdorben“. Meist war das ziemlich ärgerlich, denn man hat sich seine Abzüge versaut. Solche Dinge passieren wohl den meisten. Nur die wenigsten kommen auf die Idee, diese „Missgeschicke“ gezielt für Fotoserien zu nutzen.

Viele der Serien in „Abstrakt Pictures“ sind ohne die Hilfe einer Kamera entstanden. Bereits in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts experimentierten Fotokünstler wie Man Ray oder László Moholy-Nagy mit der Fotografie ohne Kamera. Dazu werden lichtempfindliche Papiere direkt dem Licht ausgesetzt und dann entwickelt. Nicht nur die Fotografie mit der Kamera bietet zig technische Möglichkeiten Licht oder ein Objekt abzubilden, sondern auch die kameralose Vorgehensweise. Die Serie „Mental Pictures“ kombiniert farbige flächenartige Elemente mit linienartigen. Beim betrachten stellt man sich unweigerlich die Frage wie das genau entstanden ist- eine Antwort habe ich bisher noch nicht gefunden.

 

Diese Art von Fotografie hat zugleich auch was experimentelles. Die Serie „Blushes“ ist „trocken“ entstanden. Das heißt hier wurde für die Entstehung nur lichtsensibles Papier und Licht verwendet. Die entstandenen Aufnahmen dagegen wirken, als wäre mit Flüssigkeiten gearbeitet worden. Tillmanns ist in der Lage gewisse Eindrücke immer wieder in den „Pictures“ entstehen zu lassen und dennoch verbleibt ein Rest an Zufall, denn das endgültige Resultat lässt sich nicht vollständig planen und steuern.

 

Die Serien „Freischwimmer“ und „Urgency“ sind eine Weiterentwicklung von „Blushes“. In den Aufnahmen von "Freischwimmer" entsteht ein tieferer Raumeindruck. Es zeichnen sich feine Linien und Punkte ab. Tillmanns versucht in den Aufnahmen das Verbindende zwischen gegenständlichem um abstraktem herauszuarbeiten. Für ihn ist ein abstraktes Bild gegenständlich, da es als Objekt existiert.

Die mit Kamera aufgenommene Serie „Paper Drop“ macht Fotopapier selbst zum Thema der Fotografie. Es ist faszinierend wie ein Stück Papier und Licht zu ganz unterschiedlichen Bildwirkungen führen kann. Es gibt in dem Buch aber noch mehr zu entdecken. „Lighter“ ist eine Serie mit kräftigen, größflächiger Farbe. „Silver“ dagegen ist eher auf der blässlichen Seite. Diese beiden Serien werden von Tillmans auch als Sinnbild für die Brüche und Unvollkommenheiten im Leben gesehen.

 


Ich bin begeistert von der Vielfältigkeit der Serien und Aufnahmen, die über die letzten 2 Jahrzehnte entstanden sind. Fasziniert von den Farben, Linien, Flächen und Wirkungen, die erzeugt werden und die zugleich für mich ein Geheimnis beinhalten. Das Geheinis ihrer Entstehung. Ich bin mir aber auch bewusst, dass es sicher einige Leute da draußen gibt, die mit dieser Art von Fotografie überhaupt nichts anfangen können.